Montag, 30. Juni 2008

Cypher Black - Unternehmer und SL-Urgestein



Endlich haben wir es geschafft, ein Interview mit einem der bekanntesten Schweizer SL-Avataren zu führen: Cypher Black. Der Gründer von "Switzerland" und Initiator vom Verein 2life.ch ist seit 20 Jahren das, was man in etwa einen Computerfreak nennt. Aber es wäre zu despektierlich, nur von einem Freak zu sprechen: Cypher ist in RL seit vielen Jahren Sicherheitsexperte im EDV-Bereich.

Cypher Black, wenn ich deinen Namen höre, fällt mir spontan ein, dass du ein Urgestein in Second Life bist… seit wann bist du dabei?
Das kann man so sagen, ich bin seit ca. 3 Jahren hier drin (und komm nicht mehr raus:) Seit dem 13. April 2005, um genau zu sein.

Was gefällt dir so gut an Second Life, dass du, wie du sagst „nicht mehr rauskommst“?
Das Bauen (Gebäude, Gadgets und Scripten) gefällt mir am besten hier drin. Die Möglichkeiten sind immens, und das ist auch das, was Second Life ausmacht. Es gibt keine andere virtuelle Welt, in der man sooo viel machen kann wie hier.

Was hast du denn bisher alles gebaut?
Grosse Teile vom Sim „Switzerland“. Beispielsweise das Gebäude der Publicitas, die Event Hall, und natürlich auch unser Büro von v-worlds, Teile von Basel sowie diverse andere Gebäude, die zum Teil noch stehen oder schon wieder abgebrochen worden sind. Momentan bauen wir gerade an einem Hauptquartier für den Hacker-Club (man darf gespannt sein ;-)

Als was würdest du dich selbst denn bezeichnen?
Als Computer-Freak oder so… ich bin seit mehr als 20 Jahren in der EDV und in Real Life Sicherheitsspezialist für Computersysteme. Unter anderem habe ich neben diversen Tätigkeiten als Admin, Netzwerkspezialist etc. auch schon Hackerschule gegeben …

Hackerschule??
Yep, in einem dreitägigen Kurs konnte man bei mir hacken lernen. Das war eine spassige Zeit, aber man wird älter und seriöser …

Und als Resultat daraus baust du die Schweiz in Second Life?
Nein, das ist nur Hobby, da bin ich irgendwie reingerassel.

Wie denn das?
Weil ich halt schon lange dabei bin, und zusammen mit Neptun Everett das Gefühl hatte, man müsse hier in SL etwas machen für die Schweizer. Angefangen hat es dann mit dem Schauspielhaus Zürich. Die hatten vor ca. 2 Jahren ein Stück im Programm, das teilweise hier in Second Life spielte, und deshalb brauchten sie jemanden, der das schon kennt. Danach ging es Schlag auf Schlag: Kulturplatz, Facts, 3sat und schliesslich 10vor10. Und so wurde ich dann irgendwie immer bekannter. Aber zurück zu Switzerland: Zuerst hatten wir nur das Swiss House hier in Second Life, aber da wir langsam aber sicher zu viele Besucher hatten, haben wir dann einen eigenen Sim gekauft, eben Switzerland. Danach kam der Verein 2life.ch, und zum Schluss unsere Firma v-worlds. Ist aber eigentlich alles nur Hobby, das alles wirft praktisch noch keinen Profit ab. Die Leute sind zögerlich hier in SL …leider.

Hast du eine Ahnung, weshalb das so ist?
3D ist aufwendig und teuer. Die meisten unterschätzen, wie viel Aufwand ein Auftritt in Second Life benötigt. Auch die Preise lassen sich leider nicht mit normalem Webdesign vergleichen.

Zurück zu dir: Weshalb hast du dich damals eigentlich bei Second Life angemeldet?
Hmm, eigentlich wegen den Matrix-Filmen. Da war eine Bonus-CD dabei, auf der Philosophen und Filmkritiker über virtuelle Welten diskutiert haben. Das hat mich gepackt. Zuerst habe ich mich bei there.com angemeldet, aber there bietet nicht so viele technische Möglichkeiten, und vor allem ging es bei there nur um Geld, und hier in Second Life noch nicht.

Sondern?
Spass und Freaktum. Am Anfang waren wir eine ganz andere Community hier.

Inwiefern?
Man hat sich geholfen, und vieles war gratis, irgendwie auch familiärer. Niemand wollte wirklich viel Kohle machen, doch dann kam Anshe Chung. Sie hat alles umgekrempelt. Sie hat im grossen Stil Land gekauft und wieder verkauft, und damit sehr viel Geld verdient. Ich kenne sie übrigens noch persönlich.

Also konnte man vor Anshe kein Geld verdienen in SL, oder wollte man nicht?
Ich denke, man konnte nicht. Denn da war noch kein grosses Publikum, um wirklich Geld zu machen.

Und heute?
Hmm, ist eine richtige „Abzocke“ geworden. Heute verkauft man in Second Life alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Vor allem die Werbeleute sind ziemlich unverschämt. Ich habe mal etwas von Werbeplakaten gehört, die kosten 400 Franken in der Woche – früher kosteten die 10 L$ für die gleiche Zeit.

Zwischenfrage: Weshalb qualmst du eigentlich grün?
Das sind Special Effekte. Naja, das Grün ist halt Matrix-Like, es gefällt mir, und es passt vor allem zu mir und SL ;-)

Und kann man SL mit der Matrix vergleichen?
Hmmm, SL ist nicht so perfekt wie die Matrix, aber es kommt schon in etwa hin. Ich denke, in ein paar Jahren wird das ne Matrix hier, und ist sicher auch ein Pionier in Sachen Web 2.0. Das war schon Web 2.0, als noch niemand davon gesprochen hat.

Was bietet ihr mit eurer Firma v-worlds genau an?
Alles, was virtuelle Welten angeht: Du kannst dich bei uns beraten lassen, eine Insel in Auftrag geben oder sogar einen Planeten kaufen, das dann allerdings nicht in SL.

Also eigentlich alles, was ich auch für einen Unternehmensauftritt in SL bräuchte?
Yep, genau. Im Prinzip bieten wir einen rundum-sorglos-Service an. Aber natürlich immer mit der Absicht, dem SL-User auch etwas zu bieten, was nicht immer ganz einfach ist.

Weshalb nicht? Was will der User denn?
SPASS und UNTERHALTUNG: Will heissen, es bring nichts, einfach nur ne Vertretung hier reinzustellen. Es muss immer einen Mehrwert für den Benutzer von SL sein, dann klappt's auch mit den Nachbarn ;-)

Wie beispielsweise bei der Publicitas?
Da war das Konzept so, dass das Office immer besetzt ist, und zwar von einem Menschen. Während den offiziellen Bürozeiten ist also immer jemand inworld. Wir haben dazu extra Leute in SL angestellt, die sich so auch etwas in SL dazu verdienen können.

Wie sieht denn eine solche Beratung bei euch aus?
Beratungen machen wir eigentlich lieber in RL als in SL, viele sind aber in SL, auch per Voice-Chat.

Und was ist die erste Frage, die ihr einem Newbie stellt?
Normalerweise fragt der uns zuerst etwas, und zwar, wie und wo er am schnellsten Geld verdienen kann ;-) Wenn es um Firmenauftritte geht, bevorzugen wir das persönliche Gespräch, wie gesagt auch über Voice-Chat. Das ist aber nicht so optimal, da man über Chat einen Menschen schlechter einschätzen kann. Eine erste Frage könnte sein: "Wieso genau wollen Sie etwas in Second Life machen?".

Wie wichtig ist denn der Mensch hinter dem Avatar?
WICHTIG und bei Firmenauftritten sogar sehr wichtig.

Weshalb?
Weil der Firmenauftritt einen Teil der Persönlichkeit des Betriebes widerspiegeln soll. Zudem ist es einfacher, die Erwartungshaltung des Kunden besser einzuschätzen, wenn man ihn ECHT hört und sieht. Ist nicht immer ganz einfach, das Richtige zu bieten hier in SL, da habe ich auch schon schlechte Erfahrungen gemacht: Das Gebäude stand schon fix und fertig hier in SL, und dann musste alles wieder umgebaut werden. Der Hauptgrund für solche Sachen sind Kommunikationsprobleme, und die passieren halt schneller, wenn man den Menschen nicht richtig sieht und hört.

Ist v-worlds eigentlich ein reines „SL-Produkt“?
Ja, v-worlds ist ein SL-Produkt. Wir brauchten einen Rahmen um den Sim hier zu verwalten, und deshalb haben wir einen Verein gegründet um die Community zu bewirtschaften. Es war eigentlich nie meine Absicht, das hier zu haben. Aber ich bin natürlich auch nicht unglücklich darüber, es hat definitiv auch seinen Reiz. So können wir etwas für die Schweizer in SL tun, und das wird immer wichtiger, je grösser das SL wird.

Was war dein bisher schönstes und schlechtestes Erlebnis in Second Life?
Ich hatte eine kleine Schwester hier in SL. Sie war aus Deutschland, und ich habe sie als little Sister in SL adoptiert, weil man so keine XXX-Geschichten hat, aber trotzdem eine innigere Beziehung als mit normalen SL-Freunden aufbauen kann. Leider hatte die kleine Krebs in RL, und ist mittlerweile gestorben: Das ist also zugleich mein schönstes wie auch mein schlimmstes Erlebnis. Ich habe auf dem CH Community Blog 2life.ch eine Geschichte darüber geschrieben. Und bekam genau solche Feedbacks wie "schöne Geschichte2 und "soo traurig". Auf alle Fälle hab ich durch meine little Sissy viel über SL gelernt - vor allem, wenn es um die Menschen hinter den Avataren geht.

Machen es solche Erlebnisse auch schwer, SL von RL zu trennen?
Ja, es ist nicht immer einfach. Es sind ja schliesslich ECHTE Menschen die sich hier in SL miteinander beschäftigen.

Wie strikt versuchst du, eine Trennung zu machen?
Ich game schon seit mehr als 20 Jahren mit Computersystemen. Von da her bin ich es gewohnt, mich in andere Figuren reinzuversetzen. Hier bin ich Cypher, in RL nicht. Mann muss aber schon ein wenig schizo sein, um das richtig zu packen. Ab und zu distanziere ich mich auch bewusst von SL, damit Cypher Black trotzdem nicht überhand nimmt.

Worin unterscheidet sich den Cypher von deinem RL-du?
Also richtig trennen kann man das glaube ich nicht. Ein Teil von mir steckt in beiden drin. Aber hier kann ich eher so „erscheinen“, wie es in RL eben nicht geht: Ein wenig düster, ein wenig Hacker, ein wenig Matrix… Ich mache das zwar auch in RL, aber nicht so extrem wie hier.

Gibt es deiner Meinung nach Persönlichkeiten, die man in SL unbedingt kennen sollte?
Lass mich mal überlegen. Von vielen habe ich schon lange nichts mehr gehört. Sue Stonbender gehört sicher dazu, die ist schon lange hier, dann ein paar von den Lindens, vor allem natürlich der Pathfinder Linden. Erfreulicherweise melden sich auch ein paar meiner alten SL-Freunde wieder, da hat es auch ein paar drunter die man kennen sollte ;-)

Wer ist denn Sue Stonbender?
Sue ist Reporterin in RL und sie hat hier nen coolen Sim, zusammen mit einer weiteren SL-Persönlichkeit. Sie wollte vor langer Zeit einmal ein Interview mit mir machen, weil ich der Chef vom Hacker-Club in SL bin ;-)

Hacker-Club? Was hackt dein Club denn in SL?
Ich hacke nicht in SL. Ich könnte zwar, aber ich mache es nicht, dafür gefällt es mir zu gut hier in SL. Wir diskutieren über EDV-Sicherheit, es ist also eher ein Diskussionsforum. Leider hatte ich in letzter Zeit nicht viel Zeit übrig, mich um den Hacker-Club zu kümmern, da Switzerland mich sehr in Anspruch nimmt. Aber es ist ein Programm am Laufen, um da wieder mehr Leben reinzubringen.

Wie sieht es denn mit dem Schweizer Zuwachs in Second Life aus?
Nun ja, in der 2life.ch-Gruppe sind wir mittlerweile an die 300 Leute, das ist gar nicht mal so schlecht. Zudem suche ich die Schweizer in SL gezielt, und versuche so, noch mehr Schweizer nach Switzerland und in die Gruppe 2life.ch zu bringen. Gärtli-Denken funktioniert in SL einfach nicht. Ich denke, es werden an die 2000-5000 Schweizer sein hier in SL.

Was ist denn euer Hauptziel mit Switzerland?
Den Schweizern einen Ort zu geben, wo man Schweizer sein kann. Wir haben zum Beispiel jeden Freitag um 22:00 Uhr Kaffeeklatsch. Da wird dann per Voice-Chat auf Schweizerdeutsch gesprochen. Wir haben vor einiger Zeit herausgefunden, dass die Identität immer wichtiger wird, je grösser SL wird. Mit Identität meine ich Nationalität. Schweizer wollen mit Schweizern zusammen sein, und das versuchen wir hier zu bieten. Es harzt, aber langsam kommt es in die Gänge. Mit dem Verein 2life.ch versuchen wir vor allem auch, Newbies etwas zu bieten und den Einstieg in SL so auch zu vereinfachen. Der Verein ist übrigens ein RL-Verein, wir versuchen aber, so viel wie möglich hier in SL zu machen. Damit bewegen wir uns zwar in einer rechtlichen Grauzone, aber dieses Risiko gehen wir ein ;-)

Weshalb Risiko?
Naja, das Schweizer Gesetz sieht Versammlungen vor, und vorgesehen ist, dass diese in RL stattfinden müssen. Für SL ist das noch nicht geregelt. Wir haben auch einen Anwalt gesucht, der sich mit SL auskennt, aber wir haben noch keinen gefunden. Bisher sind wir auch der einzige Verein dieser Art, es könnte also noch interessant werden, wie sich das entwickelt.

Was kann Second Life noch nicht, was du dir wünschen würdest?
Eigentlich bin ich ganz zufrieden mit SL. Vor allem wird es immer besser. Wir haben Licht, wir haben sculpt Prims, wir haben flex Prims…Was ich mir aber schon lange wünsche, ist die Aufhebung der Prim-Grenze. Momentan kann man 117 Prims auf 512 sqm nutzen, und das schränkt einen beim Bauen sehr ein. Man braucht einige Erfahrung in SL, um mit dieser Begrenzung umgehen zu können.

Wie siehst du die Zukunft von Second Life?
Wenn alles gut läuft, wird es ein integraler Bestandteil vom www. Ob das aber SL oder eine andere virtuelle Welt sein wird, sei einmal dahingestellt. Trotzdem glaube ich, dass wir uns in nicht allzu ferner Zukunft zu einem grossen Teil in 3D bewegen werden. Das ist einfacher, natürlicher und die Möglichkeiten sind immens. Ich räume SL selber eine grosse Chance ein, das Rennen zu machen. Die Erfinder von SL sind gute Leute mit guten Visionen, und wenn der Server auch noch GPL wird, dann wird es ganz bestimmt SL sein. Der nächste Schritt wird wahrscheinlich die Integration in den Browser sein, so dass man vom www direkt in SL weitermachen kann. Die Weichen dazu sind gestellt.

GPL?
Das heisst „Gnu Public License“ und bedeutet, dass der Code vom SL-Viewer öffentlich gemacht wird und im Prinzip jeder damit machen kann, was er will. Die einzige Auflage dabei ist, dass diese Änderungen ebenfalls öffentlich gemacht werden. Linux funktioniert zum Beispiel so.

Du meinst, dass SL ein Programm wird, an dem jeder weiterschreiben kann?
Genau so. Bei Linux waren es am Anfang nur ein paar Zeilen Code, und heute kannst du damit locker jedes Windows ersetzen. So stelle ich mir Second Life in Zukunft vor.

Cypher Black, vielen Dank für das Interview!

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